Martina Egli Meienberg

Stressbewältigung durch Achtsamkeit

Stress ist die Diskrepanz zwischen dem, was ist - und dem, was wir meinen, was sein sollte. Das heisst: Ob wir etwas als Stress wahrnehmen oder nicht und wie wir darauf reagieren, hängt von unseren Einstellungen, Erfahrungen, Bewertungen ab, unserem Umgang mit dem, was auf uns zukommt. Und daran können wir arbeiten.

"Stress" ist eigentlich eine biologisch sinnvolle und wichtige körperliche, geistige und emotionale Reaktion, die uns reflexhaft hellwach und handlungsfähig macht für einen Angriff oder die Flucht und uns so das Überleben sichert. Diese körperliche Aktivierung kann - wenn sie immer wieder von Phasen der Entspannung abgelöst wird - durchaus als positiv erfahren werden.
Schwierig und schädlich wird sie erst dann, wenn dieser Mechanismus andauernd ausgelöst wird, wenn wir - überfordert von den täglichen Herausforderungen - in einen Zustand permanenter Anspannung und Unruhe geraten, der uns körperlich wie seelisch ausbrennen lässt. Verstärkt wird dieser Dauerstress noch, wenn wir oder nahe Angehörige mit Krankheit, Schmerzen, Tod konfrontiert sind.

Die Wahl der Einstellung

Was auf uns und unsere Nächsten zukommt, das können wir nur begrenzt beeinflussen, ebensowenig wie die automatisch ablaufenden körperlich-seelischen Reaktionen, die das Geschehene auslöst. Worauf wir aber einwirken können, das ist unser Umgang mit dem, was auf uns zukommt; da haben wir eine Wahl. Wie der Neurologe und Psychiater Viktor Frankl (1905-1997) es formulierte:

„Die letzte der menschlichen Freiheiten besteht in der Wahl der Einstellung zu den Dingen.“

und:

„Zwischen Reiz und Reaktion gibt es einen Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.“

Da setzt das Programm "Stressbewältigung durch Achtsamkeit" MBSR nach Jon Kabat-Zinn an (Die Abkürzung MBSR steht für das englische "Mindfulness-Based Stress Reduction").

Stress ist die Diskrepanz zwischen dem, was ist - und dem, was wir meinen, was sein sollte. Das heisst: Ob wir etwas als Stress wahrnehmen oder nicht und wie wir darauf reagieren, hängt von unseren Einstellungen, Erfahrungen, Bewertungen und unseren automatisch ablaufenden Verhaltensmustern ab. Und daran können wir arbeiten.

Innehalten, beobachten, handeln

Durch die Praxis der Achtsamkeit, deren systematische, intensive Schulung die Grundlage der MBSR-Kurse bildet, lernen wir, innezuhalten, zu sehen, was ist - und erst dann zu handeln. Wir sehen klarer, was geschieht, wir werden zu Beobachtenden. Die automatischen Reaktionen und die damit verbundenen Gedanken und Gefühle laufen zwar immer noch ab, aber wir sind ihnen nicht mehr ausgeliefert. Wir können sie als das erkennen, was sie wirklich sind: automatische, unbewusste Verhaltensmuster, die wir uns irgendwann angeeignet haben, denen wir aber nicht mehr folgen müssen. So weitet sich unser Handlungsspielraum mit der Zeit aus. Wir werden nicht mehr überwältigt von den Ereignissen - den Wellen, die auf uns zurollen - , sondern entdecken hilfreichere Handlungsmöglichkeiten, uns selbst und auch anderen gegenüber. Wir lernen etwas über das Wesen der Wellen - und über den Umgang mit ihnen. Sie kommen immer noch - aber wir lernen quasi auf ihnen zu reiten statt von ihnen überflutet zu werden.

Ergänzung zur ärztlichen Behandlung - und Prävention

"Stressbewältigung durch Achtsamkeit" MBSR wurde 1979 vom Molekularbiologen Jon-Kabat-Zinn an der Medizinischen Fakultät der Universität Massachusetts, USA, entwickelt. Inzwischen wird dieses achtwöchige systematische Achtsamkeitstraining weltweit erfolgreich eingesetzt als Ergänzung zur medizinischen und/oder therapeutischen Behandlung bei einer Vielzahl von Krankheiten (Krebs, Herzkrankheiten, Multiple Sklerose, Angststörungen, stressbedingte Erkrankungen, etc.) und bei chronischen Schmerzen. Es eignet sich weiter für alle, die am Arbeitsplatz oder im Privatleben unter Stress stehen (integrative Gesundheitsförderung). MBSR kann zudem stressbedingten Krankheiten vorbeugen (z.B. Burnout-Prävention). Immer mehr Unternehmen bieten solche Kurse deshalb im Rahmen ihres betrieblichen Gesundheitsmanagements an.

Wirkung

Die Wirksamkeit dieses achtwöchigen Trainings wurde von Anfang an wissenschaftlich untersucht. Zahlreiche Studien belegen die positiven psychischen und physischen Auswirkungen regelmässiger Achtsamkeitspraxis. Kursteilnehmerinnen und -teilnehmer

  • können besser mit Stresssituationen umgehen
  • finden leichter Entspannung
  • kennen die eigenen Grenzen dank besserer Selbstwahrnehmung
  • erfahren eine anhaltende Reduktion ihrer körperlichen und psychischen Symptome
  • sind weniger belastet durch Krankheitssymptome und Schmerzen
  • können sich besser konzentrieren
  • leiden weniger an Ängsten und depressiven Verstimmungen
  • stehen gelassener im Leben
  • haben ein besseres Selbstwertgefühl und mehr Vertrauen in sich und ihre Fähigkeiten
  • haben mehr Mitgefühl sich selber und anderen gegenüber
  • erleben mehr Wohlbefinden und Lebensfreude


Das ursprüngliche, wissenschaftlich erforschte MBSR-Programm wird grundsätzlich im Rahmen eines 8-Wochen-Kurses vermittelt. Andere Kursformen wie Kompakt-, Intensiv- oder Wochenendkurse basieren auf den Grundsätzen des Originalprogramms.
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